ISG-Probleme beim Hund – oft unerkannt, aber schmerzhaft

Viele Hundehalter und -halterinnen kennen das: Der Hund steht morgens schwerfällig auf, bewegt sich irgendwie „unrund“ oder vermeidet bestimmte Bewegungen wie Springen oder Treppensteigen. Oft denkt man dabei zuerst an Hüftdysplasie, Arthrose oder Rückenprobleme. Doch eine Region, die genauso häufig betroffen ist, bleibt meist im Verborgenen: das Iliosakralgelenk, kurz ISG.

Während beim Pferd ISG-Probleme schon länger in der Physiotherapie und Osteopathie große Beachtung finden, wird dieses Gelenk bei der Ursachenfindung von Problemen des Bewegungsapparates von Hunden immer noch oft übersehen. Dabei ist es für die Beweglichkeit und Stabilität der gesamten Hinterhand von zentraler Bedeutung – und kann, wenn es blockiert oder überlastet ist, erhebliche Schmerzen verursachen.

Was ist das ISG überhaupt?

Das Iliosakralgelenk ist die gelenkige Verbindung zwischen dem Kreuzbein (Os sacrum) und dem oberen Teil des Beckens, dem Darmbein (Os ilium). Es liegt also an der Schnittstelle zwischen Rumpf und Becken. Auch wenn man immer vom dem Gelenk in der Einzahl spricht, sind es natürlich eigentlich zwei Gelenkverbindungen, sowohl links, als auch rechts.

Seine Hauptaufgaben sind:

  • Kraftübertragung zwischen den Hintergliedmaßen und dem Rumpf.
  • Stabilität der Beckenregion.
  • Dämpfung von Bewegungen, um Belastungen gleichmäßig zu verteilen.

Besonders spannend: Das ISG ist zwar ein Gelenk, aber es besitzt nur eine sehr geringe Beweglichkeit. Seine Aufgabe ist weniger Bewegung, sondern vielmehr Stabilisierung und Energieübertragung. Genau deshalb kann schon eine kleine Fehlbelastung große Auswirkungen haben.

Ursachen: Warum bekommt ein Hund ISG-Probleme?

Die Auslöser sind vielfältig. Manche Hunde erleiden akute Blockaden nach einem Unfall, bei anderen entwickelt sich das Problem schleichend durch Alltagsbelastungen. Typische Ursachen sind:

  • Traumata: z.B. Ausrutschen, Stürze, Zusammenstöße.
  • Fehl- oder Überbelastung: z.B. häufiges Springen ins Auto oder auf Sofa/ Bett, Treppensteigen, Hundesport (Agility, Schutzdienst).
  • Muskelungleichgewichte: Wenn die umgebende Muskulatur nicht ausreichend stabilisiert.
  • Altersbedingte Veränderungen: z.B. Arthrosen oder degenerative Prozesse belasten auch das ISG.
  • Begleitprobleme: z.B. Hüftdysplasie, Patellaluxation oder Wirbelsäulenerkrankungen führen oft zu Schonhaltungen – und das ISG kompensiert.

Manchmal liegt die Ursache jedoch auch an einer ganz anderen Stelle und das ISG kann unter anderem durch Kiefergelenksblockaden, Genickprobleme oder ähnliches beeinträchtigt werden. Dies geschieht über Muskelketten und die Faszien.

Symptome – so zeigt sich ein ISG-Problem beim Hund

Anders als beim Menschen sagt uns der Hund natürlich nicht direkt: „Mein Rücken tut weh.“ Deshalb ist es wichtig, fein auf seine Körpersprache und Bewegungen zu achten. Typische Anzeichen sind:

  • Schwierigkeiten beim Aufstehen oder Ablegen
  • Veränderte Rutenhaltung (schief, abgesenkt oder auffällig steif)
  • Probleme beim Springen (z. B. ins Auto oder aufs Sofa)
  • „Unrunder“, asymmetrischer Gang in der Hinterhand
  • Lahmheit, die manchmal wie ein Hüftproblem wirkt
  • Druckschmerz oder Abwehrreaktionen bei Berührung der Kruppe
  • Verhaltensänderungen: weniger Spielfreude, Aggression bei Berührung, Rückzug

Oft sind diese Symptome also sehr unspezifisch, weshalb ISG-Beschwerden oft nicht sofort erkannt werden.

Diagnose: Wie findet man heraus, ob das ISG betroffen ist?

Eine sichere Diagnose ist nicht immer leicht, da die Symptome unspezifisch wirken können. Wichtig ist eine gründliche Abklärung durch Fachleute.

  • Tierärztliche Untersuchung: zum Ausschluss anderer Ursachen wie Hüftdysplasie oder Arthrose.
  • Manuelle Tests: erfahrene Tierphysiotherapeut:innen oder Osteopath:innen können durch Palpation und Bewegungstests Blockaden oder Verspannungen ertasten.
  • Bildgebung: Röntgen, MRT oder CT können zusätzliche Hinweise geben, sind aber beim ISG nicht immer eindeutig.

Der wichtigste Faktor: ein geschultes Auge und Gespür, das die Gesamtbewegung des Hundes bewertet.

Therapie: Was hilft dem Hund?

Die Behandlung sollte immer individuell angepasst sein und besteht meist aus einer Kombination verschiedener Ansätze.

Akut & schulmedizinisch

  • Schmerzmittel und Entzündungshemmer
  • Bewegungseinschränkung in der akuten Phase

Physiotherapie & manuelle Verfahren

  • Manuelle Therapie: Mobilisation des ISG, Lösen von Blockaden.
  • Osteopathie & Chiropraktik: Verbesserung der Beweglichkeit, Regulierung der Körperbalance.
  • Physiotherapie: Muskelaufbau, Koordinationstraining, Dehnübungen.

Kinesiologisches Taping – eine sanfte Unterstützung

Eine wertvolle Ergänzung ist das Kinesiologische Taping. Richtig angewendet kann es die Behandlung gleich mehrfach unterstützen:

  • Entlastung schmerzhafter Strukturen
  • Normotonisierung der Muskulatur
  • Förderung der Mikrozirkulation – bessere Durchblutung & Stoffwechsel
  • Mehr Beweglichkeit & Verbesserung der Körperwahrnehmung

Besonders sinnvoll ist das Taping im Anschluss an eine manuelle Therapie, da es deren Effekt verlängern und stabilisieren kann.

Was können Hundebesitzer selbst tun?

  • Bewegung anpassen: z.B. Aufwärmen vor Sport, keine Überlastung.
  • Umgebung optimieren: z.B. Rutschfeste Böden, Rampen ins Auto statt Sprünge.
  • Muskelaufbau fördern: z.B. Spaziergänge in unterschiedlichem Gelände, gezieltes Training wie Cavaletti-Arbeit.
  • Frühzeitig reagieren: Bei ersten Anzeichen lieber früh zum Therapeuten gehen, statt abzuwarten.
  • Gewichtskontrolle: Übergewicht belastet Gelenke zusätzlich.

Prävention – besser vorbeugen als behandeln

Regelmäßige physiotherapeutische Checks sind besonders für Sport- und Arbeitshunde wichtig, da sie durch ihre intensiven Belastungen ein erhöhtes Risiko für muskuläre Dysbalancen oder Gelenkprobleme haben. Aber auch im Alltag lohnt es sich, auf Ergonomie zu achten und dauerhafte Extrembelastungen zu vermeiden – beispielsweise häufiges Springen ins Auto, ständiges Treppensteigen oder das Toben auf rutschigen Böden. Ein weiterer zentraler Baustein zur Vorbeugung von Problemen ist die gezielte Stärkung der Rumpfmuskulatur. Übungen, die Koordination und Balance fördern, tragen dazu bei, die Stabilität des gesamten Bewegungsapparates zu verbessern und Gelenke zu entlasten. Schon im Welpenalter kann man spielerisch die Basis für gesunde Bewegungsmuster legen: kleine Balanceübungen, abwechslungsreiche Untergründe oder gemeinsames Training fördern nicht nur die Muskulatur, sondern auch das Körperbewusstsein des jungen Hundes – und schaffen beste Voraussetzungen für ein gesundes, aktives Leben.


Fazit: ISG-Probleme beim Hund sind also häufiger als gedacht – und oft die „unsichtbare Ursache“ für Lahmheit, Bewegungsunlust oder Schmerzen. Sie bleiben lange unentdeckt, weil die Symptome unspezifisch wirken und häufig anderen Erkrankungen zugeschrieben werden.

Doch die gute Nachricht ist: Mit einer Kombination aus tierärztlicher Abklärung, manueller Therapie, Physiotherapie und unterstützenden Maßnahmen wie Kinesiologischem Taping lassen sich viele Hunde sehr erfolgreich behandeln.

Das Wichtigste ist, aufmerksam zu sein: Wer Veränderungen im Bewegungsverhalten seines Hundes ernst nimmt und rechtzeitig reagiert, kann seinem Vierbeiner viel Lebensqualität und Bewegungsfreude zurückgeben.

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